Lesen fällt vielen Kindern schwer

Lesekompetenz von Grundschülern deutlich schwächer geworden

Jeder vierte Schüler der 4. Klasse in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das hat die jüngst erschienene Studie „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung 2021“ ergeben. In der sogenannten IGLU-Studie wird die Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern der 4. Klasse im internationalen Vergleich untersucht. Im Zentrum stehen dabei nicht die individuellen Leistungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler, sondern die Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen im internationalen Vergleich.

Von Bianca Sommerfeld
am 22. Mai 2023
Thema: Kinderhilfe

Kurz und mit deutlichen Worten zusammengefasst sagt die Studie: Die Lesekompetenz deutscher Viertklässler hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verschlechtert. Das schlechte Abschneiden mit den Folgen der Corona-Pandemie zu erklären, wäre allerdings kurzsichtig und falsch. Denn dann würden alle Länder schlechter abschneiden müssen, was nicht der Fall ist. Nele McElvany, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund und Wissenschaftliche Leitung von IGLU 2021 erläutert: „Die pandemiebedingten Beeinträchtigungen und die sich verändernde Schülerschaft erklären nur einen Teil dieses Leistungsabfalls. Es muss klar festgehalten werden, dass der Trend absinkender Schülerleistungen bereits seit 2006 besteht und die problematische Entwicklung in unserem Bildungssystem in den letzten Jahren durch diese Aspekte nur verstärkt wurde.“

Erschwerend kommt hinzu, dass neben dem Rückgang der mittleren Leistungen auch die Unterschiede zwischen guten und schwachen Lesenden in Deutschland im Vergleich zu 2001 größer geworden sind. Zudem sank der Anteil der guten bis sehr guten Lesenden, während gleichzeitig der Anteil derer, die nicht die mittlere Kompetenzstufe III erreichen, um 8 Prozent an. „Die verschiedenen ergriffenen Maßnahmen in den vergangenen beiden Jahrzehnten haben kaum Wirkung im Hinblick darauf gezeigt, den Bildungserfolg sowie Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in Deutschland zu verbessern“, so Nele McElvany. Es zeigen sich weiterhin substanzielle Unterschiede sowohl bei der Leistung als auch bei der Gymnasialempfehlung in Abhängigkeit vom familiären Hintergrund der Grundschulkinder. Um letztgenannte zu erhalten, müssen Kinder aus Arbeiterfamilien nach wie vor wesentlich mehr leisten als Kinder aus Akademikerfamilien. Auch bei gleicher Lesekompetenz und gleichen kognitiven Grundfähigkeiten hat ein Kind aus einer (Fach-)Arbeiterfamilie eine 2,5 Mal geringere Chance auf eine Gymnasialpräferenz seiner Lehrkraft als ein Kind mit Eltern in der Oberen Dienstklasse (z.B. führende Angestellte und höhere Beamte). 

Ähnliche Disparität bei der Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit sieht eine Studie des ifo Instituts, die im Auftrag von „Ein Herz für Kinder“ erstellt worden ist. Der im April veröffentlichte ifo-„Ein Herz für Kinder“-Chancenmonitor dokumentiert, dass sehr wohl der Bildungsstand der Eltern abhängig davon ist, welchen Schulabschluss das Kind erreicht. Bildung ist also immer noch zu sehr abhängig von der sozialen Herkunft. Das muss sich ändern. Aber wie?

Bildung ist der Schlüssel dafür, auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Deswegen müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um JEDEM Kind in unserem Land uneingeschränkten Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Das heißt im Klartext: Kinder, die besondere Unterstützung beim Lernen benötigen, müssen diese bekommen. Große Klassen mit bis zu 30 Kindern, die alle einen unterschiedlichen Lernstand haben, unterschiedliche Lehrmethoden benötigen und unterschiedlich schnell lernen, müssen der Vergangenheit angehören. Viele Kinder brauchen eine individuelle Lehre sowie Zeit und Raum, um sich ohne Druck und wieder mit Freude am Lernen Wissen anzueignen. Uns darf diese Form der Bildung nicht zu teuer sein. Denn teuer wird es erst recht, wenn wir viele Schüler für den zukünftigen Arbeitsmarkt verlieren.

Wir wissen, dass junge Menschen lernen wollen und lernen können. In unseren LernEngel-Projekten erleben wir jeden Tag, was eine stressbefreite und fokussierte Lernbetreuung bedeutet. Schüler, die sich selbst aufgegeben haben, weil sie von der Schule und von ihren Eltern aufgegeben worden sind („zu langsam“, „miese Handschrift, das korrigiere ich nicht“, “einfach zu doof“ – das sind wörtliche Zitate!!!), bekommen bei einer individuellen Förderung wieder Mut, Selbstvertrauen und LUST aufs Lernen. Auch wir Erwachsene wollen für unsere Leistungen gelobt und bei Schwäche wohlwollend gefördert werden. Das sollten wir unseren Kindern ebenfalls zugestehen!

Unsere Forderung lautet: Deutlich kleinere Klassen, mehr und besser ausgebildete Lehrer – insbesondere an Schulen mit vielen Kindern aus sozial benachteiligten Familien! Kostenlose Nachmittagsangebote mit Nachhilfe, aber auch unterschiedlichen Freizeitangeboten. Denn die Lebenssituation vieler Kinder muss sich in allen Bereichen verbessern. Zu viele Kinder aus den betroffenen Familien haben Sorgen, Hunger, Ängste und leiden unter Selbstzweifeln und geben sich auf.

Es muss sich dringend etwas ändern, denn wir brauchen starke und kluge Kinder. Diese Kinder sind unsere Zukunft!

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